BQ 841 – 21/2025
Abschied von Kenneth A. Kitchen

Ein Nachruf von Alexander Schick

(Bonn, 17.03.2025) Am 6. Februar verstarb der bekannte britische Ägyptologe und Bibellehre Prof. Kenneth A. Kitchen. Im Folgenden veröffentlichen wir einen Nachruf von Alexander Schick, Dozent für Archäologie und Umwelt der Bibel am Martin Bucer Seminar.

Nachruf von Alexander Schick

Kenneth A. Kitchen (* 1932 in Aberdeen, Schottland; † 6. Februar 2025 in Liverpool, England) war Professor und Forscher an der School of Archaeology, Classics and Egyptology der Universität Liverpool. Sein Büro hatte er über Jahrzehnte direkt neben dem seines Freundes Prof. Alan Millard (1937–2024). Kitchen war (und ist) einer der international anerkanntesten Ägyptologen der letzten Jahrzehnte. Seit 1950 war er Mitglied bei Egypt Exploration Society und über Jahrzehnte deren Vizepräsident.

Kitchen hat über diesen Bereich hinaus in der Erforschung der Geschichte des Alten Vorderen Orients enorme Verdienste erworben. Bekannt geworden ist er vor allem durch seine Übersetzung und Kommentierung ägyptischer Hieroglyphen aus der Ramseszeit. Er hat in insgesamt 18 Bänden über 200.000 Inschriften veröffentlicht.

Prof. Kitchen war ein Sprachgenie. Er erlernte unter anderem Aramäisch, Koptisch, Elamitisch, Hebräisch, Hethitisch, Hurritisch, Phönizisch, Sumerisch, Ugaritisch und auch das antike Süd-Arabisch. Als er in Rio de Janeiro ins Museum ging und dort einige ägyptische Exponate entdeckte, machte er sich daran, diese zu veröffentlichen und lernte währenddessen nebenbei Portugiesisch.

Als ich ihn vor zwanzig Jahren in Liverpool kennenlernte, erzählte er mir, dass er einen Zettelkasten während seiner aktiven Zeit an der Universität hatte. Immer wenn er ein Argument für die Glaubwürdigkeit des Alten Testaments fand, notierte er sich dies. Aus dieser Zettelsammlung sollte dann ein Buch entstehen. Das über 600-seitige Buch kam nach seiner Emeritierung 2003 unter dem Titel ‚On the reliability of the Old Testament‘ (William B. Eerdmans Publishing) heraus.

Auf Deutsch erschien das Werk 2008 unter dem Titel ‚Das Alte Testament und der Vordere Orient: Zur historischen Zuver­lässigkeit biblischer Geschichte‘ (Brunnenverlag, Gießen). 2023 erschien die dritte Auflage (mit 726 Seiten), die ich noch mit bearbeiten durfte. Dieses Werk steht immer griffbereit in meiner Handbibliothek. Ein unglaublicher Schatz und eine Fundgrube für jeden Exegeten, aber auch sonst an der Bibelgeschichte interessierten Christen.

Das Werk von Prof. Kenneth Kitchen kann gar nicht hoch genug gelobt werden. Dem folgenden Urteil kann ich mich nur anschließen: „Kitchen hält fest, dass die Schriften und Inhalte des Alten Testaments weder ausschließlich in der späten Perserzeit entstanden sind noch von Fiktionen handeln. Im Gegenteil: Die biblischen Texte seien in hohem Maße historisch zuverlässig. Kitchen versucht jedoch nicht zu „beweisen, dass die Bibel recht habe […]. Er stellt nicht nur Behauptungen in den Raum, sondern argumentiert aus einer umfassenden Kenntnis der Primärquellen. Kitchen wendet sich im Grunde gegen das negative Glaubens-Vorurteil, aus dem so viel Sachkritik entstanden ist, nämlich dass da, wo theologisch-deutende Geschichtsschreibung auftritt, diese von vornherein unglaubwürdig sein müsse. Die Geschichte werde durch die Schreiber interpretiert, so Kitchen, aber nicht erfunden. Kitchens Werk ist eine Fundgrube.“ (Dr. Manfred Dreytza in Ichthys Nr. 25, 2009.)

Prof. James K. Hoffmeier (emeritierter Professor für Altes Testament, Geschichte und Archäologie des Alten Orients an der Trinity Evangelical Divinity School) schrieb in seinem Nachruf: „Professor Kenneth Kitchen war einer der produktivsten Ägyptologen der letzten 50 Jahre, und seine Arbeit zur altägyptischen Chronologie gilt bis heute als Maßstab auf diesem Gebiet. Seine Expertise erstreckte sich jedoch auch auf andere Bereiche des Nahen Ostens. Obwohl ich nie offiziell sein Student war, lernten wir uns 1975 kennen, als ich Doktorand an der Universität Toronto war. Von da an und in den folgenden 50 Jahren war er ein Mentor, der mich zu akademischen Höchstleistungen inspirierte und mir regelmäßig hilfreiche Kritik zu meinen verschiedenen Forschungsprojekten lieferte. Professor Kitchen war ein treuer Freund, der mein Leben durch seinen vorbildlichen christlichen Glauben sowohl akademisch als auch spirituell bereicherte.“

Dem deutschen Publikum war Prof. Kitchen schon 1965 bekannt geworden durch sein Buch „Alter Orient und Altes Testament. Probleme und ihre Lösungen, Aufklärung und Erläuterung“ (Verlag R. Brockhaus, Wuppertal).

Sein Vermächtnis ist ein drei­bändiges Werk zusammen mit Dr. Paul J. N. Lawrence: ‚Treaty, law and covenant in the Ancient Near East‘ (Harrassowitz, Wiesbaden 2012). Beide Autoren zeigen auf, wie Verträge und Bundesschlüsse in der Antike gestaltet waren. Die umfang­reichste Sammlung dieser Art zeigt, wie man die Berichte im Alten Testament über Verträge und Bundesschlüsse als historisch korrekt ansehen muss.

Prof. Kitchen lebte in einfachen Verhältnissen. Er hatte kein Internet (kein Virus kann meine Arbeit zerstören, so Kitchen) und keinen Kühlschrank – seine Milch bekam er täglich frisch geliefert – aber dafür mehr als 20.000 Bücher.

Schriftliche Anfragen sammelte und beantwortete er. Nach seinem Tod wurden 60.000 Anfragen (er hatte sie nummeriert) in seinem Nachlass gefunden. Die letzten vier Jahre seines Lebens musste er in einer Pflegeinrichtung verbringen. Sein Gesundheitszustand stoppte jäh seine Arbeit.

Nun darf er sehen, was er geglaubt habt. Ich stehe tief in seiner Schuld, auch wenn ich nie eine Vorlesung bei ihm gehört habe. Doch seine Veröffentlichungen haben mich nachhaltig geprägt und das Vertrauen in das Alte Testament als historisch glaubwürdiges Dokument gestärkt. Ich bin sehr dankbar für diese Prägung. Ein ganz Großer ist von uns gegangen. Dankt dem HERRN, dass ER ihn uns gegeben hat!

Allen Studierenden, aber auch allen, die dem Alten Testament skeptisch gegenüberstehen, empfehle ich sehr gerne sein großartiges Werk ‚Das Alte Testament und der Vordere Orient: Zur historischen Zuverlässigkeit biblischer Geschichte‘.

Prof. Kitchen ist für mich einer der Lehrer, von denen es in Hebräer 13,7 heißt: „Gedenkt eurer Lehrer, die euch das Wort Gottes gesagt haben; ihr Ende schaut an und folgt dem Beispiel ihres Glaubens.“

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