Die ISHR trauert um den Präsidenten der russischen Sektion, Rechtsanwalt Vladimir Nowitski
(Bonn, 10.04.2025) In der Nacht vom 3. auf den 4. April 2025 verstarb plötzlich der Präsident der russischen Sektion der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (ISHR), Rechtsanwalt Vladimir Mikhailovich Novitsky. Zusätzlich zum Nachruf der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte und ihrer deutschen Sektion auf Vladimir Mikhailovich Novitsky hat der Präsident der ISHR, Thomas Schirrmacher, eine persönliche Erklärung abgegeben:
„Niemand stand Vladimir Mikhailovich Novitsky, dem Langzeit-Präsidenten unserer russischen Sektion, näher als Carmen Krusch-Grün, die für Osteuropa und alle russischsprachigen Gemeinschaften zuständig und jetzt Schatzmeisterin des Internationalen Rates der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte ist. Sie stand in regelmäßigem und intensivem Kontakt mit ihm, auch in meinem Namen. Ich habe viele Gespräche mit Vladimir auf Vorstandssitzungen, auf mehreren unserer jährlichen Konferenzen in Bonn und bei den beiden Gelegenheiten geführt, bei denen ich das Privileg hatte, ihn und sein Team in Moskau zu besuchen und in Aktion zu sehen. Ich habe einen lieben Freund verloren, die ISHR hat einen Leuchtturm der Gerechtigkeit und Glaubwürdigkeit in einem der schwierigsten politischen Umfelder der Welt verloren. Viele Menschen verdanken ihm ihre Menschenrechte, einige sogar ihr Leben. Möge Gott ihn in der Ewigkeit dafür belohnen!“
Der Nachruf der ISHR
Der Präsident der russischen Sektion der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (ISHR), Rechtsanwalt Vladimir Michailowitsch Nowitski, ist in der Nacht vom 3. auf den 4. April 2025 im Alter von 68 Jahren plötzlich und unerwartet verstorben. Die ISHR trauert um einen langjährigen Mitarbeiter und guten Freund. Wir sind in Gedanken bei seiner Familie und drücken unser tief empfundenes Mitgefühl aus.
Vladimir Nowitski, Experte für europäische Rechtsgeschichte, gehörte zu den längsten Mitarbeitern der ISHR. Von 1992 bis 1997 arbeitete er in der Frankfurter Geschäftsstelle mit dem Gründer der ISHR, dem Exilrussen Iwan Agrusow, eng zusammen. Er leitete nach dem Zerfall der Sowjetunion das Moskauer Büro der ISHR und implementierte russlandweite EU-Projekte zum Aufbau einer bürgerlichen Gesellschaft. Schon 2012 warnte er in seiner Analyse des damals eingeführten Gesetzes „Über ausländische Agenten“ vor einer Rückkehr in stalinistische Zeiten und organisierte eine Menschenrechtskonferenz zum Thema in Moskau.
Vladimir Nowitski nahm von 2015 bis 2021 an zahlreichen Jugend-Projekten der ISHR teil, die vom deutschen Auswärtigen Amt gefördert wurden. Hier konnte die ISHR, die historisch bedingt Sektionen in allen Ländern der Östlichen Partnerschaft hat (Armenien, Aserbaidschan, Belarus, Georgien, Moldau, Ukraine) als einzige Nichtregierungsorganisation mit allen Sektionen länderübergreifend zusammenarbeiten. Mit dem Ziel der Stärkung von Demokratie und Zivilgesellschaft konnten unvergessliche gemeinsame Momente im Jugendaustausch erlebt und die Entwicklung gemeinsamer Medienplattformen erreicht werden.
Es war gerade Vladimir Nowitski, der diese Begegnungen mit Lebensfreude erfüllte und einen ganz besonderen Zugang zu den Jugendlichen hatte. Ungeachtet der so ernsten Menschenrechtsthemen und der häufig damit verbundenen traumatischen Erlebnisse, war es Vladimir Nowitski, der alle Teilnehmenden immer wieder mit seinem wundervollen Humor zum Lachen brachte.
Die letzte geplante Veranstaltung der ISHR in Moskau stellte sich im Jahr 2019 schon als sehr schwierig dar, da es nicht möglich war, für eine Veranstaltung von Menschenrechtlern einen Raum anzumieten. Eine offizielle Zusammenarbeit mit der ISHR war für die russischen Kollegen schon zu dieser Zeit nur noch unter großen Risiken möglich. Spätestens mit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine war jegliche Kommunikation unmöglich. Sich in dieser Zeit für die Menschenrechte zu engagieren, erforderte die Bereitschaft, dafür ins Gefängnis zu gehen und sein Eigentum zu verlieren. Nicht jeder Menschenrechtler war und ist dazu bereit. Vladimir Nowitski, Ehemann und Vater von vier Kindern, war es nicht. Die ISHR hat dies verstanden und respektiert.
Im Frühjahr 2023 gelang noch ein letztes gemeinsames Arbeitstreffen mit der ISHR-Sektion in Armenien, wo Nowitski seine tiefe Betrübnis über die Entwicklungen zum Ausdruck brachte. Er fragte damals: „Werden wir uns wiedersehen können?“ Heute antworten wir:
„Lieber guter alter Freund, nein, in diesem Leben nicht mehr, und wir dürfen dir noch nicht einmal die letzte Ehre vor Ort erweisen, unsere heißen Tränen nicht an deinem Grab vergießen, aber unsere Erinnerungen sind bei dir und unser Mitgefühl bei deinen Liebsten. Wir werden uns an einem anderen Ort wiedersehen. Ruhe in Frieden!“

Vladimir Michailowitsch Nowitski absolvierte sein Jurastudium an der Staatlichen Universität St. Petersburg (vormals Leningrader Staatliche Universität, benannt nach A.A. Zhdanov) sowie am Institut für Führungspersonal der Staatsanwaltschaft der UdSSR. Nach seinem Zivildienst bei der Staatsanwaltschaft von 1983 bis 1990 war er seit 1990 als Rechtsanwalt tätig. Parallel dazu engagierte er sich in vielfältigen Funktionen für Menschenrechte und bürgerschaftliches Engagement: Von 1992 bis 1997 leitete er die GUS-Abteilung im Internationalen Sekretariat der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte in Frankfurt am Main. Zeit seines Lebens war er mit dieser Organisation eng verbunden, ab 1997 als Vizepräsident und ab 1998 als Präsident der russischen Sektion.
Darüber hinaus wirkte er von 2003 bis 2006 als Rechtsdirektor des Moskauer Büros für Menschenrechte und war von 2003 an Vizepräsident des Instituts für Parlamentarismus, zeitgenössische Politik und Menschenrechte. Als Co-Vorsitzender der Stiftung zum Schutz der Rechte von Sportlern und Sportverbänden setzte er sich ab 2004 für faire Bedingungen im Sport ein. Auch auf städtischer Ebene engagierte er sich maßgeblich: Seit 2008 war er Mitglied, ab 2009 Erster Vizepräsident der Öffentlichen Kammer von St. Petersburg. Im Jahr 2011 wurde die Registrierung der „Russischen Sektion der ISHR“ in „Nationales Büros für öffentliche Kontrolle des Waren- und Dienstleistungsmarktes, Verbraucher- und Menschenrechte“ aus Sicherheitsgründen umbenannt.
Sein Engagement für die Zivilgesellschaft wurzelt bereits in den Jahren der Perestroika, als er dem Perestroika-Club in St. Petersburg angehörte. Mit großer Weitsicht und unermüdlichem Einsatz prägte er über Jahrzehnte hinweg die Arbeit der ISHR in Russland und darüber hinaus.
Downloads und Links
- Foto 1 (von links): Vladimir Novitski, Präsident der russischen Sektion der ISHR, Prof. Dr. mult. Thomas Schirrmacher, Präsident der ISHR weltweit, und Karl Hafen, Nachfolger des Gründers der ISHR und langjähriger Geschäftsführer © ISHR
- Foto 2: Vladimir Novitski mit zahlreichen Kollegen bei der ISHR-Osteuropa-Konferenz über Desinformation in Frankfurt am Main 2019 © ISHR