BQ 861 – 41/2025
Warum überreichte Abraham Melchisedek Brot und Wein?

Parallelen zur Schlachtszene von Ramses II. im Ramesseum in Theben-West (13. Jh. v. Chr.)

(Bonn, 29.07.2025) Prof. Dr. Thomas Paul Schirrmacher begleitete auf einer Studienreise zu bekannten und unbekannten bzw. neuesten archäologischen Stätten in Ägypten seinen Senior Advisor zu Bibel und Archäologie, Alexander Schick, sowie den Ägyptologen und Alttestament­ler Professor James K. Hoffmeier. Hoffmeier gab im Ramesseum in Theben vor Ort eine Zusammenfassung seines neuen wissenschaftlichen Artikels „Abrahams Kampf mit den mesopotamischen Königen und seine Begegnung mit Melchisedek“.

Nach James K. Hoffmeier bedeute das Angebot von Brot und Wein durch Melchisedek an Abraham im Kontext des Krieges vor allem eine politische und diplomatische Geste: Es handele sich um eine typische Handlung eines lokalen Herrschers, der einem siegreichen Feldherrn nach einer militärischen Auseinandersetzung Anerkennung zollt und ihn mit Nahrung und Erfrischung ehrt. Diese Gaben sind Ausdruck von Gastfreundschaft, Versorgung und einer Art Friedensschluss nach dem Krieg. Hoffmeier betonte, dass solche Gesten im Alten Orient üblich waren, um Beziehungen zu festigen oder sich mit einem mächtigen Akteur gut zu stellen, und weniger als rein liturgische oder theologische Handlung zu verstehen seien.

Die gesamte Wand mit dem Relief zur Eroberung der Stadt Dapur durch Ramses II. © BQ/Thomas Schirrmacher

Das abgebildete Relief befindet sich an den Wänden des Ramesseums in Theben-West, dem Totentempel von Pharao Ramses II. (19. Dynastie, etwa 1279–1213 v. Chr.) auf dem westlichen Nilufer gegenüber der modernen Stadt Luxor. Die Schlacht von Dapur war eine der bedeutendsten Eroberungen des ägyptischen Pharaos Ramses II. während seines Feldzugs gegen das Hethitische Reich im Jahr 1271 v. Chr. Dapur war zu dieser Zeit eine stark befestigte hethitische Stadt im heutigen Gouvernement Homs in Syrien. Ramses II. gelang es, die Zitadelle von Dapur einzunehmen, was als militärischer Erfolg Ägyptens gewertet wurde.

Das Relief zur Eroberung der Stadt Dapur durch Ramses II. © BQ/Thomas Schirrmacher

Die Szene zeigt Ramses II. in seinem Streitwagen, wie er die befestigte Stadt Dapur angreift (gelber Kasten). Mit dem Zusammenbruch der Verteidigung der Stadt versucht deren Herrscher, die Belagerung zu beenden, indem er persönlich mit seiner Frau (und möglicherweise Töchtern) aus der Stadt tritt, um sich zu ergeben. Der Herrscher kniet vor dem Prinzen Montu-hir-khopeshef, der bereit ist, ihn zu enthaupten (roter Kasten). Hinter dem Herrscher steht eine Frau (vermutlich seine Frau), die mit ausgebreiteten Armen eine Geste der „Bittstellung um Gnade“ macht. Diese Haltung entspricht dem Hieroglyphenzeichen für das ägyptische Wort šrm – „um Frieden bitten“ – und ist verbunden mit dem Überreichen verschiedener Nahrungsmittel. Zu Gaben und Symbolik: Die vorderste Person trägt eine versiegelte Amphore Wein auf der Schulter, ein typisches „kanaanitisches“ Gefäß mit einem Fassungsvermögen von 18–30 Litern. Dahinter tragen zwei weitere Frauen große Körbe mit Lebensmitteln (grüner Kasten). Die Szene zeigt somit die Übergabe von Wein, Brot und Fleisch (ein Ochse) als Friedensgabe an Ramses II. und seine Prinzen.

Hoffmeier betont, dass diese ikonografische Darstellung – das Überbringen von Nahrung und Getränken im militärischen Kontext – als Versuch zu verstehen sei, das Leben der Unterlegenen zu retten und den Zorn der Sieger zu besänftigen. Er zieht Parallelen zu anderen altorientalischen Texten und Szenen, in denen die Versorgung von Soldaten oder das Überreichen von Gaben als Friedensangebot nach einer militärischen Niederlage diene. Die Szene aus dem Ramesseum dient Hoffmeier als Vergleich für die Begegnung zwischen Abraham und Melchisedek, wie sie 1. Mose 14 beschreibt: Auch dort wird dem militärischen Sieger (Abraham) Brot und Wein überreicht.

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