BQ 868 – 48/2025
VKW veröffentlicht neues WEA-Buch über Säkularismus in buddhistischen und hinduistischen Ländern

(Bonn, 18.08.2025) Nachstehend veröffentlichen wir einen Kommentar von Bruce Bar­ron zum neuen Buch ‚Finding God in a Secular World‘ und dessen Autor Bruce Nicholls.

Kommentar von Bruce Baron

Das Wachstum des Säkularismus ist die größte Bedrohung für den Fortschritt des christlichen Evangeliums. Aber Säkularismus hat viele Formen. Es gibt den westlichen Säkularismus, den chinesischen Säku­larismus, sogar den hinduistischen und buddhistischen Säkularismus.

Westliche Methoden funktionieren in asiatischen Kulturen nicht. Wenn wir den Kontext, in dem wir uns engagieren wollen, nicht verstehen, werden wir kläglich scheitern.

Ich habe es genossen, das neu erschienene Buch ‚Finding God in a Secular World‘ zu diesem Thema zu lesen (es ist digital kostenlos verfügbar). Der Verfasser ist Bruce Nicholls, einer meiner geschätzten Vorgänger. Nicholls ist ein erstklassiger Gelehrter mit einer enormen historischen und theologisch­en Bandbreite, der sich vor 50 Jahren der Verbesserung der Glaubwürdigkeit der evangelikalen Wissenschaft verschrieben hat. Im Rahmen dieses Engagements gründete er die Theologische Kommission der Weltweiten Evangelischen Allianz und 1977 das „Evangelical Review of Theology”, das er 20 Jahre lang herausgab. (Ich hatte die Ehre, von 2018 bis 2024 als Herausgeber dieser Zeitschrift tätig zu sein.)

Nicholls weiß nicht, wie man aufhört, Gott zu dienen. Er ist 98 Jahre alt und schreibt nach wie vor. Im Jahr 2023, kurz vor seinem 96. Geburtstag, nahm er an einem Fünf-Meilen-Lauf in seiner Heimatstadt Auckland in Neuseeland teil. Selbst in seinen Neunzigern bereist er weiterhin Indien (wo er 39 Jahre lang tätig war), Nepal und andere asiatische Länder, um dort zu predigen und Missionsreisen zu unternehmen.

Thomas und Christine Schirrmacher besuchen Bruce Nicholls in seiner Ruhestandswohnung in 2020 © BQ/Martin Warnecke

Auf knapp 120 Seiten nimmt Nicholls den Leser mit auf eine umfassende historische Reise durch die westliche und asiatische Zivilisation und zeigt, dass Säkularismus schon seit langer Zeit existiert. Er definiert Säkularismus als „den Glauben, dass ein erfülltes und säkulares Le­ben nicht von dem Glau­ben an einen transzenden­ten, persönlichen und ewigen Schöpfergott ab­hängt“. Nicholls zeigt, wie sich diese Ideologie in ein­flussreichen Denkern von Sokrates und Platon bis zur Aufklärung und zum modernen Denken mani­festiert hat. Dann wendet er sich vom Westen nach Asien und tut dasselbe für den Hinduismus, den Bud­dhismus, China und Ja­pan.

Hinduistischer und bud­dhistischer Säkularismus? Ja, durchaus. „Der Hindu­ismus ist nach asiatischem Verständnis durch und durch säkular“, schreibt Nicholls. Während der westliche Säkularismus ausdrücklich auf der Trennung von Religion und Alltag besteht, umfasst der Hinduismus alle Glaubensrichtungen und Praktiken und untergräbt damit jede Betonung einer Beziehung zu Gott. Seine Kernüberzeugung ist, dass ein gutes moralisches Leben und die Entsagung des Selbst letztendlich zur Befreiung aus dem endlosen Kreislauf von Tod und Wiedergeburt und zu ewigem Frieden führen können.

Der Hinduismus hat viele Götter und Göttinnen, aber sie stehen nicht im Mittelpunkt der Struktur des hinduistischen Glaubenssystems oder der Suche nach Erlösung. Nicholls hebt diesen Punkt hervor, wenn er Buddhas Abkehr vom Hinduismus beschreibt: „Er brauchte auf seiner Suche nach Nirvana weder die Hilfe eines transzendenten Gottes noch die eines der hinduistischen Götter und Göttinnen. Das war ein Thema, über das er nie diskutieren wollte. In Wirklichkeit war er ein praktizierender Atheist.“

Da sich der westliche und der asiatische Säkularismus so stark unterscheiden, müssen wir das Evangelium in diesen beiden Bereichen unterschiedlich präsentieren. Nicholls ist der Meinung, dass westliche Missionare diesen Unterschied oft nicht verstanden haben, was sie im asiatischen Kontext ineffektiv macht. Hier ist eine seiner eindrucksvollsten Passagen: „Westliche Missionare betonen das biblische Konzept von Sünde und Schuld, während die meisten Asiaten ihr Leben nach dem Konzept von Ehre und Scham leben, dem Leitprinzip ihres ethischen Verhaltens. Einem burmesischen Buddhisten das ewige Leben anzubieten, erschreckt ihn. Sein Ziel ist es, alles Leben zu beenden, wie es das Nirvana lehrt.“

Nicholls gibt klare Empfeh­lungen für die christliche Evangelisation. Er empfiehlt, als Ausgangspunkt die Gemein­samkeiten zu betonen, und führt als Beispiel eine Passage aus der Bhagavad Gita an, die das Bewusstsein für die Notwendigkeit der Sündenbe­kenntnis verdeutlicht. Für Nicholls ist der Dialog ein positives Konzept, da Gott uns auffordert, „Beziehungen des Respekts und der Offenheit“ zu Nichtchristen aufzubauen.

Ein provokanter Vorschlag lau­tet, dass Evangelisten wie Billy Graham zwar zuerst den Glauben an Jesus und erst in zweiter Linie die Zugehörigkeit (d. h. die Integration in die örtliche Kirche) betonten, die Evangelisation in der heutigen säkularen Kultur jedoch die Zugehörigkeit vor den Glauben stellen müsse. Wo die breitere Kultur noch nicht für christliches Denken empfänglich ist, müssen wir laut Nicholls die Menschen auf einer säkularen Ebene erreichen, beispielsweise durch Kunstprogramme, Freizeitaktivitäten oder Englischunterricht, um Brücken zwischen der Kirche und der säkularen Welt zu bauen.

Nicholls’ Schreibstil ist manchmal etwas abschweifend, aber ich denke, das kann man einem 98-jährigen Autor verzeihen. Ein oder zwei Stunden mit diesem kurzen, aber umfassenden Werk eines der wahren Giganten der zeitgenössischen globalen Evangelikalen zu verbringen, ist eine lohnende Investition.

Bibliografische Angaben

  • Bruce Nicholls. Finding God in a Secular World. World of Theology Series. Band 32. Bonn: Verlag für Kultur und Wissenschaft (VKW), 2025. 138 S. ISBN 978-3-86269-309-2. 18 Euro.

Downloads und Links

PDF-Donwload
Permalink: https://bonner-querschnitte.de/?p=9188