BQ 787 – 10/2024
Norbert Altenkamp MdB zur Anhörung zur Religionsfreiheit im Bundestag

(Bonn, 03.05.2024) Im Folgenden geben wir eine Zusammenfassung zur Anhörung zum ‚Dritten Bericht der Bundesregierung zur weltweiten Lage der Religions- und Weltanschauungsfreiheit‘ von Norbert Altenkamp MdB wieder.

Religionsfreiheit: weltweit gefährdet – wichtiger Gradmesser für Menschenrechte, Demokratie, Nachhaltigkeit und Frieden!

Besonders interessant für mich als Katholik: Unsere Experten-Anhörung im Menschenrechtsausschuss zum weltweit in dieser Breite einzigartigen Bericht der Bundesregierung zur weltweiten Lage der Religions- und Weltanschauungs­freiheit.

Die Fragen, die uns besonders bewegt haben:

  • Welche Rolle spielt die Religion für die Demokratie und in unserer Entwicklungs- und Außenpolitik?
  • Wie können wir den Dialog der Religionen weltweit stärken?
  • Inwiefern schränkt der Religionsverlust in Deutschland auch unseren Handlungsspielraum im Hinblick auf den Dialog der Religionen und die Friedenssicherung ein?

Religion bestimmt die Identität der meisten Menschen weltweit

Ein kurzer Überblick zur Problematik zeigt: In einer Zeit, in der in Deutschland immer mehr Menschen aus der Kirche austreten, ist für fast 90 Prozent der Menschen weltweit die Religion ein wichtiger Teil ihrer Identität und ihrer Moral und auch politisch höchst bedeutsam.

Religion bestimmt das Alltagsleben und die Politik nicht nur im Iran oder in vielen arabischen Ländern, sondern im gesamten globalen Süden, einschließlich der indigenen Völker in Südamerika.

Mitglieder der AG Menschenrechte der CDU/CSU-Fraktion gemeinsam mit den eingeladenen Sachverständigen Dr. Richard Ottinger und Erzbischof Prof. Dr. Thomas Schirrmacher © BQ/Martin Warnecke

Religionsfreiheit ist ein Menschenrecht und kein Recht der Religionen

Kein Menschenrecht wird so unmittelbar gefühlt wie die Religionsfreiheit. Und um mit Missverständnissen auszuräumen: Religionsfreiheit ist ein individuelles Menschenrecht auf die freie Ausübung des Glaubens oder auch des Nichtglaubens  – und kein Recht der Religionen. Die strikte Durchsetzung von religiösen Normen oder Dogmen – wie die Beschneidung von Frauenrechten im Iran oder die Blasphemiegesetze in Pakistan – hat nichts mit Religionsfreiheit zu tun und verletzt die Menschenrechte.

Religionsfreiheit ist weltweit gefährdet und ein wichtiger Gradmesser für Demokratie

Gleichzeitig stellen wir beunruhigt fest: Diese Religionsfreiheit ist zunehmend weltweit gefährdet. Und da, wo die Religionsfreiheit verletzt wird, stehen in der Regel auch andere Menschenrechte auf dem Spiel. Religionsfreiheit ist deshalb auch ein wichtiger Gradmesser für Demokratie und Frieden.

Wir sehen

  • einen erschreckenden Anstieg des Antisemitismus,
  • die negativen Folgen des Hindunationalismus in Indien,
  • die Verfolgung der muslimischen Uiguren in China und der muslimischen Rohingya in Myanmar,
  • die Verfolgung von Christen und Gläubigen aus anderen Religionen
  • die Zerstörung von indigenen Völkern, die oft auch durch Landraub daran gehindert werden, ihre eigene Spiritualität zu leben, denn diese ist eng mit dem Land verbunden, auf dem sie leben – von der mit dem Landraub verbundene Zerstörung der Umwelt, z. B. im Amazonasgebiet, ganz zu schweigen.

Oft geht auch ein Riss durch die Religionen selbst. Auch im Christentum gibt es fundamentalistische Kräfte, die den Frieden behindern – sichtbar u.a. am Beispiel der Unterstützung der russisch-orthodoxen Kirche für Putins Angriffskrieg auf die Ukraine.

(von links): Richard Ottinger, Thomas Schirrmacher, Heiner Bielefeldt, Frank Schwabe im Gespräch © BQ/Martin Warnecke

Religionsfreiheit stärken – gesellschaftlicher Dialog funktioniert oft nur als religiöser Dialog

Die aus unserer Sicht wichtigsten Forderungen der Experten – darunter die von uns eingeladenen Sachverständigen Dr. Richard Ottinger, Experte für internationalen Religionsdialog der Konrad-Adenauer-Stiftung und Erzbischof Prof. Dr. Thomas Schirrmacher, Präsident des Internationalen Instituts für Religionsfreiheit, Ko-Präsident von Religions for Peace und bis vor kurzem Generalsekretär der Weltweiten Evangelischen Allianz.

  • Der gesellschaftliche Dialog in vielen Ländern und auch der Dialog mit anderen Ländern funktioniert oft nur als religiöser Dialog. Man muss sein Gegenüber verstehen, um mit ihm ins Gespräch zu kommen und um kompetent handeln zu können. Religion und Politik lassen sich insofern nicht trennen. Auch beim Konflikt zwischen Israel, der Hamas und dem Drahtzieher Iran zu könnte interreligiöser Dialog helfen, auch wenn dieser Konflikt natürlich mehr ist als ein Kampf der Religionen.
  • Der Religionsdialog ist umso erfolgreicher, je mehr man sich für gemeinsame Ziele einsetzt, die allen nutzen, z. B. die 17 nachhaltigen Entwicklungsziele der UN-Agenda 2030 , darunter das Recht auf Bildung, der Kampf gegen Hunger. Wichtig dabei ist es, besonders mit gemäßigten und friedensbereiten Angehörigen der Religionsgruppen ins Gespräch zu kommen.
  • Gerade der säkulare Staat kann und soll beim Dialog der Regionen als Moderator eine wichtige Rolle spielen.
  • Auch die UN wird trotz aller Kritik beim Dialog der Religionen gebraucht, als wichtiger Baustein in der Infrastruktur für Menschenrechte, als Plattform für Diskussionen, Gruppenbildungen und als Experimentierraum.
  • Das Amt des Religionsbeauftragten der Bundesregierung sollte daher als parteipolitisch unabhängige Einrichtung dauerhaft abgesichert.
  • Die weltweit einzigartige internationale Partnerschaft für Religion und Entwicklung PaRD, die das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung 2016 initiiert hat, muss gestärkt werden.
  • Deutschland sollte wieder wie früher eine Führungsrolle im Kampf für Menschenrechte auf dem Gebiet der Religionsfreiheit.
  • Religionsverlust und mangelndes Wissen über die Religionen darf nicht die Spielräume für außenpolitisches Handeln, Entwicklungszusammenarbeit und Friedensbemühungen einschränken, wie es derzeit den Anschein.
  • Die Religionsfreiheit im eigenen Land und weltweit zu verteidigen ist eine wichtige Verpflichtung Deutschlands.
  • Ein erfolgreicher Dialog mit Religionen, eine fundierte Religionskritik, der Kampf gegen Antisemitismus setzt religiöses Wissen voraus – religiöse Bildung muss deshalb auch in Deutschland wieder gestärkt werden.
  • Wichtige Beiträge zum Dialog und zur religiösen Bildung leistet z. B. die Initiative Religions for Peace, die auch in Deutschland aktiv ist.

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