BQ 802 – 25/2024
„Deutlicher Anstieg von Hassrede und Hassverbrechen“ gegen evangelische Christen in der Türkei

Vereinigung Protestantischer Kirchen in der Türkei veröffentlicht jährlichen Menschenrechtsbericht

(Bonn, 10.07.2024) Die Vereinigung Protestantischer Kirchen in der Türkei hat ihren jährlichen „Bericht über Menschenrechtsverletzungen“ vorgelegt. Das Internationale Institut für Religionsfreiheit (IIRF) hat jetzt auch eine deutsche Übersetzung veröffentlicht.

Der Report listet eine ganze Reihe von Beispielen für „Hassverbrechen, Hass­rede, verbale und physische Angriffe“, die im Vergleich zum Vorjahr zahlen­mäßig deutlich angestiegen seien. Um einige Beispiele zu nennen: Ein Pastor wurde während einer Predigt von einer Person geschlagen, um – so seine Aussage – „die Toleranz der Christen zu testen“. Kirchen oder von christlichen Gemeinden genutzte Gebäude wurden immer wieder angegriffen, z. B. durch das Zerstören von Fenster­scheiben. Christen wurden verbal bedroht und eingeschüchtert – einfach nur, weil sie Christen sind. Selbst die Mitarbeiter christlicher Gemeinden, die in den Erdbeben­gebieten z. B. mit dem Verteilen von Mahlzeiten konkrete Hilfe geleistet haben, wurden als „speziell geschultes Personal“ beschimpft. Erfreulicherweise ist aber der selbstlose Einsatz vieler Christen in der Katastrophenhilfe vielfach sowohl von den Opfern als auch von den Behörden erkannt und gewürdigt worden.

Trotz der in der türkischen Verfassung grundsätzlich garantierten Religions­freiheit gab es auch im Jahr 2023 „noch einige grundlegende Probleme für die protestantische Gemeinschaft“. Das bedeutet nicht, dass es für die anderen christlichen Gemeinschaften der Türkei wie die orthodoxe und katholische keinerlei Probleme gäbe. Aber die Verfasser haben nach eigener Aussage nur für den Bereich der protestantischen Kirchen die entsprechende Expertise. Mit Stand Ende 2023 sind 205 protestantische Gemeinden bekannt. Aus ihren Erfahrungen speist sich der Menschenrechtsbericht.

Ein großes Menschenrechtsproblem ist wie schon in den letzten Jahren die Situation ausländischer christlicher Leiter oder deren Ehepartner. Auch wenn es in den letzten Jahren mehr und mehr einen grundsätzlich erfreulichen Wechsel zu türkischen Pastoren als Gemeindeleitern gegeben hat, gibt es nach wie vor Gemeinden, die von ausländischen Christen geleitet werden, da es einfach noch nicht genügend einheimische Verantwortliche gibt und zudem die Anzahl der Gemeinden stetig zunimmt. Seit 2019 sind mit Stand Ende 2023 insgesamt 113 Personen betroffen, die einen „Code“ bekommen haben und deshalb bereits das Land verlassen mussten oder eigentlich verpflichtet wären, das Land zu verlassen, da sie keine gültige Aufenthaltsgenehmigung mehr haben. Inklusive Familienmitglieder sind davon mittlerweile 250 Personen betroffen! Nicht wenige der Betroffenen haben den Code G-87 bekommen, da diese Person eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit sei.

Auch im Kontext des Martin Bucer Seminars gibt es einen solchen Fall. Die Familie hat zwar in 2023 einen Gerichtsprozess gewonnen, aber die zuständige Behörde weigert sich entgegen des Gerichtsentscheids die zustehende Aufenthaltsgenehmigung auszu­stellen. Gegenüber BQ äußerte sich die betreffende Person: „Es fühlt sich an, als ob man 24/7 in einem Action-Film unterwegs ist. Man steht ständig unter Strom. Jederzeit könnte man in eine Polizeikontrolle geraten – und hat dann keine gültige Aufenthalts­bewilligung.“ 

Aber auch in Bereichen juristische Registrierung von Gemeinden, kirchliche Gebäude, Ausbildung von Pastoren, Religionsunterricht an Schulen und anderen mehr gibt es nach wie vor offene Fragen. Der Bericht gibt auch dazu einige Empfehlungen.

Die Vereinigung Protestantischer Kirchen ist die Evangelische Allianz der Türkei. Sie begann 1989 mit einem Treffen von Kirchenleitern als „Repräsentativer Rat“, der sich in die „Vereinigung Protestantischer Kirchen“ umwandelte und schließlich am 23. Januar 2009 zu einer offiziellen Vereinigung wurde.

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