Evangelischer Gemeinde in Bursa/Türkei droht Nutzungsverbot des langjährig genutzten Kirchgebäudes

BQ 804 – 27/2024

Pastor İsmail Kulakçıoğlu hofft noch auf Änderung der Evakuierungsanordnung

(Bonn, 26.08.2024) Der evangelischen Gemeinde in Bursa, der mit über zwei Millionen Einwohnern viertgrößten Stadt der Türkei, droht der Verlust der Nutzungserlaubnis für die Französische Kirche.

Wie Pastor İsmail Kulakçıoğlu, Absolvent des türkischen Studienzentrums des Mar­tin Bucer Seminars, mitteil­te, wurde die Gemeinde vor ca. einem Monat in­formiert, dass sie das Ge­bäude räumen müsse. Es seien Bauarbeiten geplant, um das Gebäude zu ver­stärken und es so besser vor einem möglichen Erd­beben zu sichern. Die Ge­meinde habe daraufhin bei einem zertifizierten Ingen­ieurbüro ein Gutachten er­stellen lassen mit dem Er­gebnis, dass die bau­lichen Risiken deutlich ge­ringer seien als vom Amt behauptet. Das Gebäude sei alles in allem in einem guten Zustand, habe keine Korrosionsschäden oder Risse. Infolgedessen habe man bei der zuständigen Behörde eine Aufhebung der Räumungsanordnung beantragt, zumindest aber eine Verschiebung. Zugleich habe man sich an den Provinzgouverneur gewandt und die Einrichtung eines Ausschusses mit Fachleuten beantragt, in dem dann auch Verant­wortliche der Kirchenstiftung vertreten sein sollten. Bliebe es bei der Evakuierungs­anordnung, bedeutete dies nichts weniger als eine Untersagung der Gottesdienste, denn die Stadt habe keinerlei Alternativen angeboten und andere Kirchengebäude gäbe es in Bursa schon lange nicht mehr. Auf die Anfrage, ob man denn auf der Wiese neben der Kirche alternativ ein Zelt für die Gottesdienste aufstellen dürfe, kam die Antwort, dass das nur an besonderen Feiertagen möglich sei. Man wolle aber als Gemeinde jeden Sonntag Gottesdienst feiern. Da das Gebäude – gutachterlich bestätigt – grund­sätzlich in Ordnung sei, sei es sicher eines derjenigen, die bei einem möglichen Erdbeben am wenigsten Schaden nehmen würden. Der Pastor fragt: „Warum soll die Räumung in der Region bei unserem Gebäude anfangen?“

Französische Kirche in Bursa © Bursa Protestan Kilisesi

Das Kirchengebäude wurde Ende des 19. Jahrhunderts von aus Frankreich stam­menden christlichen Kaufleuten erbaut und genutzt und wurde seitdem Französische Kirche genannt. Im Laufe des 20. Jahrhunderts verlor die Kirche ihre Mitglieder. Sie war lange geschlossen und wurde zwischenzeitlich auch als Lagerraum genutzt. Von 2002 bis 2004 wurde das Gebäude von der Stadt rekonstruiert und den Christen von Bursa zur Nutzung zur Verfügung gestellt. Seitdem wird die Kirche regelmäßig von der Evangelischen Gemeinde Bursa genutzt. Seit einigen Jahren finden aber auch katho­lische und orthodoxe Gottesdienste in diesem Gebäude statt. Dass sich diese drei christlichen Konfessionen ein Gebäu­de teilen, gibt es global betrachtet – soweit be­kannt – nur in Bursa.

Schon Anfang 2016 gab es einmal eine kurzfristige Aufforderung, die Kirche zu räumen. Offizielle Begründung war seinerzeit, dass die evangelische Gemeinde keine Rechtsperson sei. Die Räumung der Kirche konnte damals nach einigen Gesprächen mit den zuständigen Behörden verhindert werden. Der Aufforderung nach Registrierung kam die Gemeinde damals nach und ist seitdem eine Stiftung.

Seit vielen Jahren gibt es einen Trend unter den heute ca. 200 türkischen protes­tantischen Gemeinden, als Verein oder als Stiftung Rechtsperson zu werden. Diese Möglichkeit hat es viele Jahrzehnte nicht gegeben. Seit es möglich ist, wird diese Option zunehmend genutzt und ist vielfach hilfreich. Mit Stand Ende 2023 haben zwei Drittel aller türkischen protestantischen Gemeinden einen Rechtsstatus. Weitere kommen regelmäßig hinzu. Weitergehende Angaben zur aktuellen Lage der protes­tantischen Christen in der Türkei bietet der aktuelle Menschenrechtsbericht, der jährlich von der Vereinigung Protestantischer Kirchen in der Türkei herausgegeben wird.

Weihnachtsgottesdienst 2011 der Evangelischen Gemeinde Bursa © Bursa Protestan Kilisesi

Im Folgenden übernehmen wir noch – in deutscher Übersetzung – die aktuelle Pressemeldung der Evangelischen Gemeinde Bursa:

Presseerklärung der Bursa Protestant Church Life and Culture Foundation zur Änderung der Evakuierungsan­ordnung an die Gemeinden, die die Französische Kirche in Bursa nutzen

In der Mitteilung der Regionaldirektion der Stiftungen in Bursa an unsere Stiftung heißt es „Aufgrund der Tatsache, dass sich die Französische Kirche in der Bäderregion befindet, der Grundwasserspiegel hoch ist, die Gefahr einer Verflüssigung des Bodens besteht, die Kirche auf einer Verwerfungslinie liegt und Spannungen im Boden vermutet werden“, wurde die Bursa Protestant Church Life and Culture Foundation aufgefordert, die Nutzer der Kirche zu evakuieren, um den Verlust von Leben und Eigentum bis zur Vorbereitung des Verstärkungsprojekts in der „besagten Kirche“ und der Ausführungs­phase zu verhindern. Die Mitteilung enthält jedoch keine Angaben darüber, wie lange dieses Projekt dauern wird, und es wird keine eindeutige Zusicherung gegeben, dass die christlichen Gemeinschaften (evangelisch, katholisch und orthodox) die Kirche nach Abschluss des Projekts wieder nutzen dürfen.

Nach den Ergebnissen der wissenschaftlichen Bodenuntersuchung, die wir als Bursa Protestant Church Life and Culture Foundation durchgeführt haben, und der Beobach­tung des allgemeinen baulichen Zustands des Gebäudes sind wir im Gegensatz zu den Angaben im obigen Absatz zu dem Schluss gekommen, dass es keine Verflüssigung des Bodens gibt und die Kirche nicht auf einer Verwerfungslinie liegt und der allgemeine Zustand des Gebäudes gut ist. Bei den Untersuchungen vor der Restaurierung, die zwischen 2002 und 2004 durch die Stadtverwaltung von Bursa durchgeführt wurde, wurden zwar oberflächliche Risse an den Wänden festgestellt, aber keine strukturelle Gefahr. Während der Restaurierung wurden die Risse, die keine Gefahr darstellten, ausgebessert.

Wir sind der Meinung, dass der Evakuierungsbeschluss nicht angemessen ist und aus den von uns genannten Gründen aufgehoben werden sollte.

Wir teilen unsere Petition mit der interessierten Öffentlichkeit, indem wir die Bedeutung von Begriffen und Aussagen erläutern, und erwarten ihre Unterstützung.

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