BQ 840 – 20/2025
Evangelische Gemeinde in Bursa (Türkei) musste Kirchengebäude räumen

Weitere Ausweisungen von ausländischen Christen aus der Türkei

(Istanbul/Bonn, 10.03.2025) Am Sonntag, den 16. Februar fand der letzte Gottesdienst der Evangelischen Gemeinde in Bursa (Türkei) in der Französische Kirche mit etwa 80 Besuchern statt. Danach musste alles der Gemeinde gehörende Inventar geräumt wer­den. Damit geht eine über 21 Jahre dauernde und weitgehend unproble­ma­tische Nutzung des aus dem 19. Jahrhundert stam­menden Kirchgebäudes zu Ende. Neben der Evan­gelischen Gemeinde, die hier regelmäßig ihre Sonn­tagsgottesdienste abhielt, fanden in dem Gebäude seit einigen Jahren immer wieder auch katholische und orthodoxe Gottesdien­ste statt.

Hintergrund der Räumungsanordnung ist eine im Sommer 2024 behördlicherseits aufgestellte Behauptung, die Kirche sei nicht mehr erdbebensicher und müsse baulich verstärkt werden. Die Evangelische Gemeinde hat daraufhin ein eigenes Gutachten erstellen lassen, das zeigt, dass die Gefahren so nicht bestehen. (Für weitere Details siehe das BQ 804 – 27/2024 vom 26.08.2024.) Die Bursa Protestant Church Life and Culture Foundation versuchte daraufhin, die Räumung gerichtlich zu stoppen. Das ist ihr leider nicht gelungen.

Wie Pastor İsmail Kulakçıoğlu, Absolvent des türkischen Studienzentrums des Martin Bucer Seminars, mitteilte, bereite ein erfahrener Anwalt für die Gemeinde eine Berufung vor dem Verfassungsgericht vor, um die Anordnung annullieren zu lassen, weil sie nach wie vor davon überzeugt sei, dass sie nicht rechtens ist. Gleichzeitig sei die Gemeinde aber hoffnungsvoll, dass Gott auch diese neue Situation zu seiner Ehre nutzen könne.

Für die Gottesdienste weichen die evangelischen Gläubigen jetzt auf kircheneigene Gemeinschaftsräume aus, die aber einerseits zu klein sind, andererseits keine offizielle Anerkennung als „Ort der Anbetung“ haben. Damit bewegt man sich wieder in einer Grauzone. Deshalb wurde jetzt beim Gouverneur ein Antrag auf Anerkennung der Gemeinschaftsräume als „Ort der Anbetung“ gestellt. Da es für ein solches Verfahren keine etablierten Wege gibt, beschreitet die Gemeinde damit Neuland. Auch frühere Anfragen an die Stadt auf Zuteilung alternativer Räumlichkeiten für die Gottesdienste hatten keinen Erfolg. Das ist auch nicht verwunderlich, da die Französische Kirche das letzte Kirchgebäude in Bursa ist, einer Stadt mit über zwei Millionen Einwohnern.

Die Französische Kirche in Bursa © Bursa Protestan Kilisesi

Weitere Ausweisungen von ausländischen Christen

Vor wenigen Tagen bekam eine ausländische Christin in Izmir eine Nachricht, dass ihr Antrag auf Verlängerung des Visums nicht genehmigt worden sei und sie deshalb in die Behörde kommen solle. Als dann die ganze Familie auf dem Amt war, wurde zudem klar, dass das Arbeitsvisum des Ehemannes, der als Ingenieur in einer türkischen Firma arbeitete, gestrichen worden war, nachdem er einen „Code“ bekommen hatte. Daraufhin wurde er gleich in Abschiebehaft genommen. Die Frau musste ihrerseits ein Papier unterschreiben, dass sie inner­halb von zehn Tagen mit den Kindern das Land verlässt. Beide sollen jetzt – getrennt voneinander – im Laufe der nächsten Tage die Türkei verlassen.

Der Vertreter einer Istanbuler protestantischen Gemeinde äußerte gegenüber BQ seine tiefe Betroffenheit und ein großes Unverständnis über diese behördliche Entscheidung. „Die große Frage ist, wo der Mann auffällig geworden ist. Er hat einfach als Ingenieur gearbeitet. Wir zerbrechen uns alle den Kopf.“ Damit reihe sich dieser aktuelle Fall in eine ganze Reihe ähnlicher Fälle ein, die seit Dezember 2024 stark zugenommen hätten. Von dieser Praxis seien mittlerweile ca. 50 Personen betroffen. Die Vereinigung Protestantischer Gemeinden prangert dieses Vorgehen schon lange an, aber die Praxis wird unverändert und zurzeit verstärkt fortgesetzt.

Wer einen „Code“ bekommt (häufig G-87), wird damit in der Regel als eine Person eingestuft, die eine „Gefahr für die nationale Sicherheit sei“. Damit verbunden ist üblicherweise der Entzug der Arbeitserlaubnis und des Visums. Fährt man aus Unkenntnis über einen solchen Code z.B. ins Ausland in den Urlaub, wird die erneute Einreise in die Türkei verweigert. (Vgl. dazu BQ 802 – 25/2024 und den dort genannten Menschenrechtsbericht der Vereinigung Protestantischer Gemeinden.)

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