BQ 893 – 73/2025
Religionsfreiheit im Fokus: Schweizer Kirchen unterzeichnen gemeinsame Erklärung

Thomas Schirrmacher unterstreicht in seiner Keynote, dass kein Staat ohne Religionsfreiheit funktionieren könne

(Bonn, 01.12.2025) Vor fünfzig Jahren fanden in Bern und Zürich Schweigemärsche statt. Tausende protestierten gegen die Verfolgung von Christen im kommunistischen Osteuropa. Anlässlich dieses Jubiläums machten die Schweizer Kirchen in Bern auf die weltweite Bedrohung der Religionsfreiheit aufmerksam.

Die Konferenz „Religionsfreiheit im Fokus“ fand am 7. November im Kornhausforum in Bern statt. Bei dieser Gelegenheit veröffentlichten christliche Kirchen und Gemeinschaften eine gemeinsame Botschaft, in der sie daran erinnern, dass Religionsfreiheit ein Menschenrecht sei, das weltweit weiterhin verletzt wird. „Die Menschenrechte schützen ausdrücklich die Gewissens-, Religions- und Glaubensfreiheit“, hieß es in der Botschaft. „Gemäß dem Selbstverständnis der christlichen Kirchen und ihrer Menschenauffassung besteht eine unbedingte Pflicht, diese Rechte für alle Menschen und Religionsgemeinschaften zu verteidigen.“

Die Erklärung wurde unterzeichnet von Charles Morerod, Präsident der Schweizer Bischofskonferenz (SBK), Rita Famos, Präsidentin der Evangelisch-reformierten Kirche der Schweiz (EKS), Frank Bangerter, Bischof der Christkatholischen Kirche, sowie den Präsidenten der Schweizerischen Evangelischen Allianz (SEA) und der Dachorganisation Freikirchen und christliche Gemeinschaften in der Schweiz.

Die Veranstaltung brachte Politiker, Theologen und Betroffene zusammen: Bundesrat Albert Rösti und Nationalrätin Sibel Arslan tauschten unterschiedliche Perspektiven zu Verantwortung und Glauben aus. Zeitzeugen aus Indien, Irak und Nigeria berichteten von mutigem Widerstand gegen Diskriminierung und Gewalt, während Theologen wie Hansjörg Stückelberger und Thomas Schirrmacher an die spirituellen Wurzeln und die politische Bedeutung der Religionsfreiheit erinnerten.

Die Vertreter aller Schweizer Kirchen © IIRF/Martin Warnecke

Keynote von Erzbischof Thomas Schirrmacher: Religionsfreiheit als universelles Menschenrecht

In seiner Keynote erinnerte Erzbischof Prof. Dr. mult. Thomas Paul Schirrmacher, Prä­sident des Internationalen Instituts für Religionsfreiheit (IIRF), daran, dass Religions­freiheit das universelle Menschenrecht sei, das die innere Überzeugung jedes Men­schen schützt. „Es geht um das, was den Menschen zum Menschen macht“, sagte er.

Schirrmacher warnte vor vereinfachten politischen Lösungen, etwa dem Ver­such, Christenverfolgung militärisch durch westliche Schutzmächte zu been­den. Gleichzeitig zeigte er am Beispiel Syriens, dass in bestimmten Ländern Minderheiten wie Christen, Jesiden oder Drusen nur überleben, wenn es inter­nationale Schutzstrukturen gibt.

Er betonte: Der Einsatz für verfolgte Christen müsse stets Teil eines grösseren Ganzen sein – der Freiheit des Glaubens und Nichtglaubens. „Christen kämpfen nicht nur für Christen, sondern für die Freiheit jedes Menschen, zu glauben oder nicht zu glauben.“ Schon Martin Luther habe gefordert, dass der Staat alle Bürger schützen müsse, „sogar die Türken“ – die damals Sinnbild für Muslime waren. Wer Religionsfreiheit nur für sich beanspruche, verrate das eigene Fundament.

Anhand aktueller Beispiele beschrieb Schirrmacher den Aufstieg religiösen Extremis­mus in Indien, in Nigeria und in einigen islamischen Ländern – eine Entwicklung, die besorgniserregend sei, weil sie Gewalt mit religiöser Legitimation verknüpfe. In der Türkei gebe es für niemand echte Religionsfreiheit, nicht einmal für Muslime, die anders glauben wollten als die staatliche Religionsbehörde (Diyanet). „Imame bekommen ihre Predigten zugeschickt – selbst die Predigtfreiheit ist aufgehoben“, sagte er.

Thomas Schirrmacher während seiner Keynote in Bern © IIRF/Martin Warnecke

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